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30% der Migrant:innen entwickeln eine PTBS oder Depression

Nichts ist so offensichtlich, wie der Einfluss von traumatischen Ereignissen während eines Konfliktes auf Migrant:innen. Mesa-Vieira et al. (2022) versuchten in ihrem systematischen Review und einer nachfolgenden sogenannten Meta-Analyse die psychische Gesundheit von Migrant:innen zu erfassen. Unter einem systematischen Review versteht man eine systematische Literaturrecherche in Studien-Datenbanken zu einer bestimmten Fragestellung, während die Meta-Analyse die Resultate der einzelnen Studien zusammenfasst und einen Kennwert liefert, der die Resultate aller Studien widerspiegelt.

Heute wollen wir euch diese Studie von Mesa-Vieira et al. (2022) etwas genauer vorstellen. Wir verzichten dabei auf die Berücksichtigung weiterer Studien, da viele zu diesem Thema passenden Studien sowieso in der Meta-Analyse integriert sind. Der grosse Vorteil dieser aktuellen Studie ist es, dass alle Typen von Migrant:innen eingeschlossen werden, was in vorherigen Studien nicht immer der Fall war.


Nach einem präzis umschriebenen Screeningprozess (siehe PDF im Anhang für mehr Informationen) wurden von ursprünglich 13'935 Studien 34 in die aktuelle Meta-Analyse miteinbezogen. Dabei stammten die meisten Migrant:innen aus Entwicklungsländern (oder im Englischen: low-income countries), deren primäre Fluchtziele vor allem europäische Länder waren.


Die häufigste festgestellte Erkrankung war die posttraumatische Belastungsstörung (31% der Migrant:innen; PTBS), gefolgt von Depressionen (25%) und Angststörungen. Besonders Migrant:innen aus Schwellenländern wiesen ein hohes Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung auf. Zu den häufigsten Formen von traumatischen Ereignissen gehörten Bombardements, Kampfsituationen, Gefangenschaft, Verlust eines Familienmitglieds, schwere Verletzungen und physischer sowie sexueller Missbrauch.


Exkurs: Was ist PTBS? PTBS gehört zu den Traumafolgestörungen und ist gekennzeichnet durch ein häufiges Wiedererleben der traumatischen Situation (z.B. durch Flashbacks, Erinnerungen etc.), einem erhöhten Gefühl des Bedrohtseins (auch erhöhtes Arousal genannt) und Vermeidungsverhalten, wobei die Betroffenen den Situationen (oder Triggern) aus dem Weg gehen, die sie an das Ereignis erinnern.

In Bezug auf die Lebenszeitprävalenz, also dem Vorkommen der Erkrankung während der gesamten Lebenszeit, zeigte der zusammengefasste Kennwert (repräsentiert die Resultate aller Studien) eine Lebenszeitprävalenz von 30% für Depression und PTBS. Das heisst nichts anderes, als dass 30% der Migrant:innen, die aufgrund eines bewaffneten Konfliktes flüchten mussten, im Verlauf ihres Lebens eine Depression oder PTBS entwickeln (siehe Bild). Zum Vergleich: der Mental Health Survey der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Global Burden of Disease Datenbank gehen von einer Lebenszeitprävalenz von 3% für Depressionen, 5% für Angststörungen und 4% für PTBS aus, was bedeutet, dass Migrant:innen überproportional häufig von diesen Krankheitsbildern betroffen sind.





Fazit: PTBS, Depression und Angststörungen treten bei Migrant:innen, die aufgrund von bewaffneten Konflikten flüchten mussten, viel häufiger auf, als dies bei der restlichen Bevölkerung der Fall ist. Dies hat Einfluss auf unser Gesundheitssystem, das diese Menschen auffangen und betreuen muss. Selbstverständlich gilt es dabei bestimmte Hürden, welche teilweise kultureller Natur sind, zu überwinden. Andere Kulturen, Religionen und Ausbildungen formen Krankheitskonzepte, Therapievorstellungen oder die Akzeptanz des Vorhandenseins von psychischen Erkrankungen. Die kulturellen Herausforderungen sind oft geprägt durch sprachliche Barrieren, welche den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen erschweren oder gar verunmöglichen. Diese Probleme zeigen auf, dass es wichtig ist, dass die Betreuung von Migrant:innen kulturell adaptiert erfolgen muss, was sich nicht nur auf die Sprache bezieht sondern weitere Dimensionen beinhaltet, wie es beispielsweise Eva Heim (Universität Zürich) in diversen Veröffentlichungen beschrieben hat (Heim et al., 2020; Heim & Kohrt, 2019; Heim, Mewes, et al., 2021; Heim, Ramia, et al., 2021).




Referenzen


Global Health Data Exchange. (2019). GBD results tool. (letzter Zugriff: 28.10.22)


Heim, E., Burchert, S., Shala, M., Kaufmann, M., Cerga Pashoja, A., Morina, N., Schaub, M., Knaevelsrud, C., & Maercker, A. (2020). Effect of Cultural Adaptation of a Smartphone-Based Self-Help Programme on Its Acceptability and Efficacy: Study Protocol for a Randomized Controlled Trial. https://doi.org/10.23668/psycharchives.3152


Heim, E., & Kohrt, B. A. (2019). Cultural Adaptation of Scalable Psychological Interventions: A New Conceptual Framework. Clinical Psychology in Europe, 1(4), 1-22. https://doi.org/10.32872/cpe.v1i4.37679


Heim, E., Mewes, R., Abi Ramia, J., Glaesmer, H., Hall, B., Harper Shehadeh, M., Ünlü, B., Kananian, S., Kohrt, B. A., Lechner-Meichsner, F., Lotzin, A., Moro, M. R., Radjack, R., Salamanca-Sanabria, A., Singla, D. R., Starck, A., Sturm, G., Tol, W., Weise, C., & Knaevelsrud, C. (2021). Reporting Cultural Adaptation in Psychological Trials – The RECAPT criteria. Clinical Psychology in Europe, 3, 1-25. https://doi.org/10.32872/cpe.6351


Heim, E., Ramia, J. A., Hana, R. A., Burchert, S., Carswell, K., Cornelisz, I., Cuijpers, P., El Chammay, R., Noun, P., van Klaveren, C., van Ommeren, M., Zoghbi, E., & van't Hof, E. (2021). Step-by-step: Feasibility randomised controlled trial of a mobile-based intervention for depression among populations affected by adversity in Lebanon. Internet Interventions, 24, 100380. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.invent.2021.100380


Koenen, K. C., Ratanatharathorn, A., Ng, L., McLaughlin, K. A., Bromet, E. J., Stein, D. J., ... & Kessler, R. (2017). Posttraumatic stress disorder in the world mental health surveys. Psychological medicine, 47(13), 2260-2274.


Mesa-Vieira, C., Haas, A. D., Buitrago-Garcia, D., Roa-Diaz, Z. M., Minder, B., Gamba, M., ... & Franco, O. H. (2022). Mental health of migrants with pre-migration exposure to armed conflict: a systematic review and meta-analysis. The Lancet Public Health, 7(5), e469-e481.



Mental health of migrants with pre-migration exposure to armed conflict a systematic revie
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