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Antidepressiva - Wirkmechanismen

Antidepressiva sind eine heterogene Gruppe von Medikamenten, welche bei depressiver Symptomatik ärztlich verordnet werden. Während die Einteilung früher aufgrund der chemischen Struktur (Bsp. trizyklische Antidepressiva) gemacht wurde, werden die Antidepressiva heute nach ihrem Angriffspunkt im Gehirn kategorisiert. Wenn euch die Funktionsweise des Gehirns, der Nervenzellen und der Signalübertragung an den Synapsen nicht mehr geläufig ist, lest zuerst unseren Beitrag zu den neurobiologischen Grundlagen von Psychopharmaka.


Einteilung

Meist erfolgt die Einteilung anhand der Wirkung auf ein Neurotransmittersystem (wie z.B. Noradrenalin, Serotonin, Dopamin), sei dies durch eine Hemmung der Inaktivierung (Wiederaufnahmehemmer), Hemmung des Abbaus (Monoamminoxidase-Hemmer) oder agonistischen Wirkung am Rezeptor des Empfänger-Neurons. Antidepressiva lassen sich folgendermassen einteilen:

Antidepressiva Klasse

Beispiele

Nicht-selektive Monoamin-Wiederaufnahmehemmer

Amitryptilin, Imipramin, Clomipramin, Nortryptilin

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin

Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Reboxetin, Maprotilin, Mianserin

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Venlafaxin, Duloxetin

Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer

Bupropion

Noradrenges/sertonerges Antidepressivum

Mirtazapin

Monoaminooxidase Hemmung

Moclobemid, Tranylcypromin

Wirkmechanismen

Die Mechanismen, die zu einer Depression führen, sind noch nicht ganz verstanden. Neurotransmitter (chemische Stoffe bei der Signalübertragung), verändertes neuroendokrines System (z.B. Hormone) und ein Mangel an neurotrophen Faktoren (für Wachstum von Nervengewebe) spielen eine Rolle. Die meisten Antidepressiva folgen der sog. Monoaminmangelhypothese, wobei der eigentliche Wirkmechanismus von Antidepressiva nicht eindeutig ist. Es werden verschiedene Prozesse vermutet, die die Wirkung der Antidepressiva erklären könnten. Doch zuerst eine adaptierte Tabelle über die Wirkungsweisen der verschiedenen Neurotransmitter, adaptiert nach Myers & DeWall (2021).



Neurotransmitter

Normale Wirkung im Gehirn

Beispiele für Erkrankungen

Serotonin

Stimmung, Hunger, Schlaf und Wachheit

zu wenig: Depressionen (deshalb wirken Serotoninhemmer)

Noradrenalin

Bereitschaft und Wachsamkeit, Stress

zu wenig: Depression

Dopamin

Bewegung, Lernen, Aufmerksamkeit, Emotionen, Belohnung

zu viel: Schizophrenie

zu wenig: Zittern und Parkinson-Krankheit

Endorphine

Schmerz- und Gefühlswahrnehmung

zu viel Opiate unterdrücken die natürlichen Endorphine

GABA

hemmender Neurotransmitter

zu wenig: Krämpfe, Zittern und Schlaflosigkeit

Acetylcholin

​Muskelaktion, Lernen, Gedächtnis

Alzheimer-Krankheit

Glutamat

involviert bei der Gedächtnisbildung

zu viel: Überstimulation; kann zu Migräne oder Krämpfen führen


  • Beeinflussung verschiedener Neurotransmittersysteme mit direkter oder indirekter Stimulation der Rezeptoren. Das aktiviert verschiedene Gene, dank denen sich das Gehirn so gut adaptieren kann ("plastisch" ist).

  • Neuere Antidepressiva verfolgen andere Wirkungsansätze. Dies v.a. im Hinblick auf die Hypothalamus-Hypohysen-Nebennierenrinde-Achse (Hormone), entzündlichen Prozessen, Neuropeptide (Proteine) oder Neurotrophine (Wachstumfaktoren).

  • Andere wichtige Mechanismen beziehen sich auf die prä- und postsynaptische Beeinflussung des Neurotransmitters Glutamat.

  • Neuere Wirk-Ansatzpunkte bilden weitere Proteine wie p11 oder Histone (= Proteine für die Verpackung der DNA)

  • Weitere Ansätze wie der Einsatz von Ketamin, Modulatoren des Opioidsystems oder Beeinflussung des Kortisolstoffwechsels sind aktuell noch Gegenstand der Forschung.

  • Zunehmendes Interesse gilt auch psychedelischen Substanzen wie Psilocybin (Pilz) und MDMA (psychedelisch= veränderter Bewusstseinszustand).

In der untenstehenden Grafik sind die verschiedenen Wirkmechanismen abgebildet.


Grafik aus unserem Beitrag zu den neurobiologischen Grundlagen von Psychopharmaka. Antidepressiva wirken vor allem im synaptischen Spalt.


Welches Antidepressivum bei den Patient:innen angwendet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So spielt das Nebenwirkungsprofil eine grosse Rolle. Viele Wirkungen wie z.B. Gewichtszunahme sind unerwünscht, allerdings wird zum Beispiel die schlafanstossende Wirkung von Mirtazapin therapeutisch bei gleichzeitigen Schlafstörungen verordnet.





Referenzen

Benkert, O., Hippius, H., Anghelescu, I., Davids, E., Gründer, G., Lange-Asschenfeldt, C., ... & Wetzel, H. (2013). Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie (p. 288). Springer Berlin Heidelberg.


Brandes, R., Lang, F., & Schmidt, R. F. (2019). Physiologie des Menschen. Heidelberg: Springer Verlag.


Myers & DeWall (2021). Psychology page 58. 13th Edition, Worth Publishers.


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