Bis zu 15-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko durch psychologische Traumata
Bridget Hogg et al., (2022) untersuchten systematisch traumatische Kindheitserlebnisse als Risikofaktoren für die spätere Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Dies vor dem Hintergrund, dass auch bei nicht klassisch traumatisch-bedingten Erkrankungen wie Psychosen, Substanzabhängigkeiten oder bipolaren Störungen einen Zusammenhang vermutet wird. Hogg et al. (2022) beziehen sich in ihrer Studie auf die psychologischen Traumata, die sich wie folgt definieren lassen:
Ein psychologisches Trauma kann definiert werden als das Erleben einer Person von Ereignissen oder Umständen, die körperlich oder emotional schädlich oder lebensbedrohlich sind und die dauerhafte negative Auswirkungen auf ihr Funktionieren und geistiges, körperliches, soziales, emotionales oder spirituelles Wohlbefinden. (Huang et al., 2014)
Dabei kann das traumatische Erlebnis physischer, emotionaler, sexueller MIssbrauch oder Vernachlässigung beinhalten oder traumatische Lebensereignisse wie Todesfälle (Varese et al., 2012).
Die vorliegende Studie verfolgt einen transdiagnostischen Ansatz, da die Autor:innen annehmen, dass es bei vielen psychiatrischen Krankheitsbildern Risikofaktoren gibt, die verschiedenen Co-Morbiditäten zugrundeliegen. Es ist somit ein Versuch, die Barrieren zwischen den künstlich erstellten Diagnosen im Klassifikationssystem zu überwinden und die Übergänge zwischen ihnen fliessender zu gestalten.
Dies sind die Hauptresultate der Studie
Traumata und psychische Erkrankungen zeigen unabhängig von deren Typen einen Zusammenhang.
83% der genannten Trauma-Typen (emotionaler, physischer, sexueller Missbrauch, nicht-spezifisches Trauma und Katastrophen) stehen in Zusammenhang mit verschiedenen psychischen Erkrankungen.
Personen mit unspezifischen Traumata haben ein beinahe 3-fach erhöhtes Risiko für eine psychische Erkrankung.
Kindheitstrauma führt zu einem bis zu 15-fachen Rsisiko für eine Borderline Persönlichkeitsstörung.
Sexueller Missbrauch führt zu einem 4-fachen Risiko für eine psychische Störung.
Emotionaler Missbrauch führt zu einem 3-fach erhöhten Risiko für Angsterkrankungen.

Diese Resultate zeigen es deutlich: Die Prävention von traumatischen Erlebnissen ist der Schlüssel, damit weniger Menschen psychisch erkranken. Dies lässt den Schluss zu, dass auch auf politischer und rechtlicher Ebene etwas getan werden muss, um vulnerable Kinder zu schützen. Die Studienresultate liefern noch eine weitere Implikation: Patient:innen sollen früh in der Diagnostik- und Behandlungsphase nach traumatischen Erfahrungen gefragt werden. So kann bereits früh eingegriffen werden und somit der Krankheitsverlauf günstiger gestaltet werden. So könnte die Initiation einer Trauma-fokussierten Therapie auch bei nicht-klassischen Traumafolgestörungen zum Einsatz kommen.
In ähnlichen Prozessen zeigte sich dies bereits in Bezug auf die klassische dialektisch-behaviorale Therapie (initial für Emotionsregulationsstörungen), welche jetzt auch bei anderen Krankheitsbildern wie Angststörungen oder Depressionen angewendet wird. Häufig entstehen auch innovative Therapieformen, wie beispielsweise die Trauma-fokussierte dialektisch-behaviorale Therapie, welche bei der Behandlung von Psychosen angewandt wird.
Fazit: Dieser Review zeigt auf, dass Kindheitstraumata ein transdignostischer Risikofaktor sind für eine Reihe von psychischen Erkrankungen.
Referenzen
Frazier PA (2012) Trauma psychology. In Altmaier EM, Hansen
J-IC (eds) The Oxford handbook of counselling psychology.
Oxford University Press, p 807–836
Hogg, B., Gardoki-Souto, I., Valiente-Gómez, A. et al. Psychological trauma as a transdiagnostic risk factor for mental disorder: an umbrella meta-analysis. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci (2022). https://lnkd.in/e9K-y-wg
Huang, L. N., Flatow, R., Biggs, T., Afayee, S., Smith, K., Clark, T., & Blake, M. (2014). SAMHSA's Concept of Truama and Guidance for a Trauma-Informed Approach.
Filippo Varese, Feikje Smeets, Marjan Drukker, Ritsaert Lieverse, Tineke Lataster, Wolfgang Viechtbauer, John Read, Jim van Os, Richard P. Bentall, Childhood Adversities Increase the Risk of Psychosis: A Meta-analysis of Patient-Control, Prospective- and Cross-sectional Cohort Studies, Schizophrenia Bulletin, Volume 38, Issue 4, 18 June 2012, Pages 661–671, https://doi.org/10.1093/schbul/sbs050