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Jugendliche und Trauma



Jugendliche verhalten sich aus Sicht von Erwachsenen teilweise sehr unverständlich. Teilweise sehr impulsiv und risikoreich gehen sie durchs Leben. Dies geschieht darum, weil sich das Gehirn der Jugendlichen sozusagen "im Umbau" zum Erwachsenwerden befindet und während dieses Umbaus die Teile, welche für das Abschätzen von Risiken und die Vernunft noch nicht gänzlichch ausgereift sind (Schultz, 2017).

Ein Trauma kann teilweise ähnliche Verhaltensweisen und Symptome auslösen und bestehende Herausforderungen verstärken. In diesem Beitrag soll ein grober Überblick darüber gegeben werden, welche Auswirkungen ein Trauma auf die Entwicklung eines Jugendlichen haben kann und welches mögliche Verhaltensweisen sind.



Jugendliche und Entwicklungsaufgaben

Nach Gudjons uns Traub (2016) ist die Jugend eine nicht ganz klar umgrenzte Altersphase, welche meist zwischen 13 und 20 Jahren beschrieben wird. Gekennzeichnet ist diese Altersphase durch viele körperliche und emotionale Veränderungen und das wird von den Jugendlichen als sehr intensiv erlebt.

Nach Havighurst (1972, zit. nach Schmid, 2021) steht der Mensch in jedem Lebensabschnitt vor der Herausforderung, die entsprechenden Entwicklungsaufgaben zu vollbringen.


Bei Entwicklungsaufgaben handelt es sich um Anforderungen, mit denen jeder Mensch im Laufe seines Lebens konfrontiert wird. Die Anforderungen sind ans Lebensalter gebunden, das heisst, dass im Jugendalter andere gestellt werden als beispielsweise im späteren Erwachsenenalter. Wenn die Entwicklungsaufgaben erfolgreich bewältigt worden sind, ist das für die Persönlichkeitsentwicklung und für die Lösung künftiger Entwicklungsaufgaben sehr förderlich.

Bei Jugendlichen handelt es sich unter anderem um folgende Aufgaben (1972, zitiert nach Gudjons & Traub, 2016):

  • den eigenen Körper und dessen Veränderungen akzeptieren

  • die entsprechende soziale Rolle zu lernen (klassisch aufgeteilt in weibliche und männliche Rolle, heute gibt es vielfältigere Möglichkeiten)

  • emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Bezugspersonen zu erreichen

Gudjons und Traub (2016) führen auf der kognitiven Ebene folgende weitere Punkte an:

  • lernen, Hypothesen aufzustellen

  • die Entwicklung von Interessen

  • die Entwicklung der Sexualität

  • die Auseinandersetzung mit der Thematik Arbeit und Beruf


Trauma


Definition Trauma (WHO, 2019): Ein Trauma ist definiert als ein oder mehrere Ereignisse von extremer Bedrohung und Ausmass. Mehr Informationen siehe «Wissen Kompakt»: Trauma (https://www.netzwerktrauma.ch/post/serie-wissen-kompakt-trauma.

Die Symptome eines Traumas bei Jugendlichen ähneln denjenigen von Erwachsenen. Was sich jedoch oft unterscheidet, ist, wie sich diese im Verhaltensweisen zeigen. Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und weitere Symptome eines Traumas aufgelistet:

Wiedererleben (Intrusionen)

Die traumatische Situation oder Teile davon werden immer wieder erlebt. Dies kann unbewusst und willkürlich geschehen (z.B. in Träumen oder in sich immer wiederholenden Verhaltensweisen und auftretenden Bildern (Flashbacks)). Ausgelöst werden Intrusionen durch sogenannte Trigger, welche von Aussen teilweise nicht nachvollzogen werden können. Darunter können u.a. Gerüche, Klänge und soziale Situationen fallen (DeGPT, o.J.).

Wenn Jugendliche Intrusionen und Flashbacks erleben, kann das dazu führen, dass sie von einer Sekunde auf die andere nicht mehr der Situation entsprechend handeln (z.B. mit gedanklicher Abwesenheit, nicht vorhandener Konzentration, Flucht, Aggression, Weinen etc.) (Schulze et al.,2016).

Vermeidung

Übererregung

Störungen in der Emotionsregulation

Störungen in der Bildung der Identität

Dissoziation


Fazit

Von Aussen betrachtet zeigen Jugendliche mit einem Trauma oft "sehr auffälliges Verhalten". Nicht selten zeigt sich dieses in Aggressionen, Selbstverletzungen und Konzentrationsstörungen. Mit den Erfahrungen der Jugendlichen, dass ihr Umfeld ihre Not oft nicht sieht und nicht richtig interpretieren kann, geraten Sie immer wieder in Auseinandersetzungen und erleben, dass sie nicht auf ihre Handlungskompetenzen vertrauen können (Loch, 2016). In der sowieso schon herausfordernden Lebensphase der Jugend, in der sie sich stark mit Identitätsentwicklung und dem Erwachsenwerden auseinandersetzen müssen, ist dies verherend und kann dazu führen, dass sie die Entwicklungsaufgaben nicht oder nicht vollständig bewältigen können. Dies kann wiederum zu weitergehenden Problemen führen.

Damit die Jugendlichen einen Weg aus dieser Negativspirale finden, sind sie darauf angewiesen, dass ihre Bezugspersonen ihre Verhaltensweisen richtig deuten und interpretieren und entsprechende Unterstützung bieten bzw. organisieren.



Referenzen


Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). o.J. Posttraumatische Belastungsstörung. https://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/wie-%C3%A4u%C3%9Fern-sich-traumafolgest%C3%B6rungen/posttraumatische-belastungsst%C3%B6rung/


Gudjons, H., & Traub, S. (2016). Pädagogisches Grundwissen (12., aktualisierte Aufl.).

Klinkhardt.


Loch, U. (2016). Professionelle Beziehungen gestalten mit AdressatInnen nach traumatischen Erfahrungen. In H. Schulze, U. Loch & S. Gahleitner (Hrsg.), Soziale Arbeit mit traumatisierten Menschen. Plädoyer für eine Psychosoziale Traumatologie (3. Aufl., S. 151–164). Schneider.


Seiferling, N. 2022. Emotionsregulation. Dorsch. Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/emotionsregulation


Scherwath, C., & Friedrich, S. (2016). Soziale und pädagogische Arbeit mit Traumatisierung (3., aktualisierte Aufl.). Ernst Reinhardt.


Schmid, M. (2008). Entwicklungspathologische Grundlagen einer Traumapädagogik. Trauma und Gewalt, 2 (4), 288–309.


Schmid, M. (2021). Entwicklungsaufgaben. Dorsch. Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/entwicklungsaufgaben


Schultz, Nora (2017). Baustelle im Kopf. Das Gehirn.info. https://www.dasgehirn.info/grundlagen/pubertaet/baustelle-im-kopf


Schulze, H., Loch, U., & Gahleitner, S. (2016). Psychosoziale Traumatologie - eine Annäherung. In H. Schulze, U. Loch & S. Gahleitner (Hrsg.), Soziale Arbeit mit traumatisierten Menschen. Plädoyer für eine Psychosoziale Traumatologie (3. Aufl., S. 6–54). Schneider.


WHO. 2019. Post-traumatic stress disorder. ICD-10. https://icd.who.int/browse10/2019/en#/F43.1

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