top of page

Psychologisches Trauma mit 3-fachem Risiko für psychische Erkrankungen

Die Ursachen von psychischen Erkrankungen sind in der Regel multifaktoriell mit biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren, die in der Entstehung eine Rolle spielen. Ein häufig genannter Faktor ist das psychologische Trauma, welches Misshandlung, Vernachlässigung oder Missbrauch auf emotionaler, psychischer, körperlicher oder sexueller Ebene, aber auch Todesfälle oder Unfälle umfassen kann (Varese et al., 2012).


«Ein psychologisches Trauma kann definiert werden als eine Person, die Ereignisse oder Umstände erlebt, die körperlich oder emotional schädlich oder lebensbedrohlich sind und die dauerhafte negative Auswirkungen auf ihr Funktionieren und ihr geistiges, körperliches, soziales, emotionales oder spirituelles Wohlbefinden haben.» (Altmaier & Hansen, 2012; Huang et al., 2014)

Psychologische Traumata können zu «offensichtlichen» Traumafolgestörungen wie die posttraumatische Belastungsstörung oder die dissoziative Identitätsstörung führen, aber eben auch zu Erkrankungen, welche man rein intuitiv nicht als Traumafolgestörung bezeichnet. Dazu gehören Depression, Angststörungen, Substanzabhängigkeiten und Psychosen (Hogg et al., 2022).


Der diagnostische Prozess

Bisher wurden die Erkrankungen wie bei einem Schubladensystem klassifiziert, wobei die Überlappung und Komorbidität vieler Erkrankungen das Resultat dieses künstlichen Prozesses sind (Maj, 2005). Die Klassifikationssysteme ICD-11 und DSM-V teilen Beschwerdebilder oder Syndrome in Erkrankungen ein. Das Problematische dabei ist, dass die Ursachen meist biologisch, psychologisch und soziokulturell begründet sind, die Symptome ein breites Spektrum von "gesund" zu "krank", viele Erkrankungen ähnliche Symptome haben und die Manifestationen bzw. der Verlauf einer Erkrankung sehr heterogen sein kann (Dalgleish et al., 2020). Dies macht die jetzigen Klassifikationssysteme, die eine eindeutige Zuordnung der Diagnose erlaubt problematisch.


Alternativ kam in den letzten Jahren immer mehr der Wunsch nach einem transdiagnostischen Verfahren auf. Das bedeutet, dass sowohl biopsychosoziale und klinische Sphären berücksichtigt werden (Dalgleish et al., 2020). Hogg et al. (2022) untersuchten nun das psychologische Trauma als transdiagnostischer Risikofaktor, welcher über die Grenzen der diagnostischen Kategorien hinausgeht.


Resultate

  • Hohe Evidenz für die Assoziation zwischen Trauma (egal welcher Art) und psychischen Erkrankungen.

  • Emotionaler, physischer, sexual Missbrauch und weitere Trauma-Typen waren signifikant mit psychischen Erkrankungen assoziiert.

  • Psychologische Traumata waren mit einem 3-fach erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen generell assoziiert.

  • Sexueller Missbrauch war am stärksten mit psychischen Erkrankungen assoziiert.

  • Angststörungen waren stark mit jeglichen Missbrauchserfahrung assoziiert.




Fazit

Psychologische Traumata sind ein transdiagnostischer Risikofaktor und sind deshalb ein grosser Faktor in der Gesellschaft, bei dem Prävention, verbesserter Zugang zu Behandlungen oder Interventionen innerhalb der Gesellschaft wichtig sind (Kleber, 2019). Wird intensiv am Kindsschutz und der Prävention gearbeitet, können psychische Erkrankungen möglicherweise reduziert oder zumindest frühzeitig erkannt werden, was die Kosten für das Gesundheitssystem senken kann. Zudem kann die transdiagnostische Sichtweise auf jeder Ebene (Prävention, Diagnostik und Therapie) eine neue Herangehensweise sein.



Referenzen

Altmaier, E. M., & Hansen, J.-I. C. (2012). The Oxford handbook of counseling psychology. Oxford University Press.


Dalgleish, T., Black, M., Johnston, D., & Bevan, A. (2020). Transdiagnostic approaches to mental health problems: Current status and future directions. Journal of consulting and clinical psychology, 88(3), 179.


Hogg, B., Gardoki-Souto, I., Valiente-Gómez, A., Rosa, A. R., Fortea, L., Radua, J., Amann, B. L., & Moreno-Alcázar, A. (2022). Psychological trauma as a transdiagnostic risk factor for mental disorder: an umbrella meta-analysis. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. https://doi.org/10.1007/s00406-022-01495-5


Huang, L. N., Flatow, R., Biggs, T., Afayee, S., Smith, K., Clark, T., & Blake, M. (2014). SAMHSA's Concept of Truama and Guidance for a Trauma-Informed Approach.


Kleber, R. J. (2019). Trauma and public mental health: A focused review. Frontiers in psychiatry, 10, 451.


Maj, M. (2005). ‘Psychiatric comorbidity’: an artefact of current diagnostic systems? The British Journal of Psychiatry, 186(3), 182-184.


Varese, F., Smeets, F., Drukker, M., Lieverse, R., Lataster, T., Viechtbauer, W., Read, J., Van Os, J., & Bentall, R. P. (2012). Childhood adversities increase the risk of psychosis: a meta-analysis of patient-control, prospective-and cross-sectional cohort studies. Schizophrenia bulletin, 38(4), 661-671.

bottom of page