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Sekundäre Traumatisierung bei Fachpersonen

Im Gegensatz zu vielen bisherig erschienen Beiträgen soll es in dem Vorliegenden um die psychische Gesundheit der behandelnden Personen gehen. Fachpersonen, die regelmässig mit traumatisierten Personen arbeiten, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, selbst traumatisiert zu werden. Dieses Phänomen wird als sekundäre Traumatisierung bezeichnet und kann schwerwiegende Auswirkungen auf deren psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit haben (Figley, 1995). Im Folgenden sollen die Ursachen und Auswirkungen von sekundärer Traumatisierung bei Fachpersonen sowie einige Ansätze zur Prävention und Bewältigung umrissen werden.


Ursachen von sekundärer Traumatisierung

Sekundäre Traumatisierungen treten besonders häufig bei Fachpersonen auf, die mit Opfern von Gewalt, Missbrauch, Krieg, Naturkatastrophen arbeiten. Die Ursachen von sekundärer Traumatisierung sind vielfältig und können von Person zu Person unterschiedlich sein. Ein wichtiger Faktor ist jedoch das regelmässige «Erleben» von traumatischen Ereignissen in Form von z. B. von traumatisierten Personen geschilderten Ereignisse, die eine direkte Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit darstellen (Figley, 1995).

Ein weiterer Faktor, der zur Entstehung von sekundärer Traumatisierung beitragen kann, ist die mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Arbeitskolleg*innen sowie eine hohe Arbeitsbelastung und Zeitdruck (Gentry & Baranowsky, 2015). Wenn Fachpersonen keine angemessene Unterstützung und Ressourcen zur Verfügung haben, um mit den emotionalen Belastungen ihrer Arbeit umzugehen, kann dies dazu führen, dass sie sich überfordert und ausgebrannt fühlen.

Schließlich können auch persönliche Faktoren wie eine hohe Empathiefähigkeit, ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und eigene traumatische Erfahrungen oder psychischen Erkrankungen dazu beitragen, dass Fachpersonen anfälliger für sekundäre Traumatisierung sind (Yassen & Lockhart, 2010).


Auswirkungen von sekundärer Traumatisierung

Sekundäre Traumatisierung kann sowohl physische wie auch psychische Auswirkungen auf Fachpersonen haben. Zu den physischen Symptomen gehören Schlafstörungen, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme und Muskelverspannungen (Meadors, Lamson & Swanson, 2009).

Psychische Auswirkungen von sekundärer Traumatisierung können verschiedene Symptome umfassen. Angstzustände, Reizbarkeit, Vermeidungsverhalten, eine negative Selbstwahrnehmung und Symptome einer Depression oder posttraumatischen Belastungsstörung sind nur Beispiele dafür (Van Dernoot Lipsky & Burk, 2009). Das Auftreten der Symptome kann sich auf die berufliche Leistung auswirken (z. B. verminderte Konzentration, Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung und verminderte Empathie gegenüber Klient*innen).

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Fachpersonen, die mit traumatisierten Personen arbeiten, Symptome einer sekundären Traumatisierung zeigen. Diejenigen jedoch, die einer hohen Belastung ausgesetzt sind und keine ausreichende Unterstützung erhalten, sind einem höheren Risiko ausgesetzt, davon betroffen zu werden oder zu sein.


Prävention und Bewältigung von sekundärer Traumatisierung

Um sekundäre Traumatisierung zu vermeiden oder zu bewältigen, gibt es verschiedene Massnahmen, die Fachpersonen ergreifen können. Eine wichtige Präventionsmassnahme ist nach Meadors, Lamson und Swanson (2009) die regelmäßige Supervision und Reflexion, um die eigenen Emotionen und Gedanken zu verarbeiten.

Zudem kann eine gute Selbstfürsorge dazu beitragen, dass das Risiko für sekundäre Traumatisierung reduziert wird. Dies kann z. B. eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Schlaf und Zeit für Erholung und Entspannung umfassen (Van Dernoot Lipsky & Burk, 2009).

Eine weitere wichtige Massnahme ist die Schaffung einer Arbeitsumgebung, die den Mitarbeitenden Ressourcen und Unterstützung bietet. Dazu gehören auch Schulungen zur Identifizierung von Symptomen sekundärer Traumatisierung sowie Unterstützung bei der Suche nach weiterführenden Behandlungen (Meadors, Lamson & Swanson, 2009).

Wenn sich Fachpersonen bereits in einem Zustand sekundärer Traumatisierung befinden, ist es wichtig, dass sie sich professionelle Hilfe in Form einer Therapie oder Beratung holen (Van Dernoot Lipsky & Burk, 2009).


Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sekundäre Traumatisierung eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für Fachpersonen darstellt, die in Bereichen arbeiten, in denen sie regelmässig mit traumatisierten Menschen zu tun haben. Es ist wichtig, dass sich die betroffenen Fachpersonen bewusst sind, dass die Arbeit mit traumatisierten Menschen das Risiko birgt, dass diese Erfahrungen auf sie übertragen werden und somit zu einer sekundären Traumatisierung führen können (Figley, 1995).

Auf Ebene der Organisation stellt die Prävention einen wichtigen Aspekt der Fürsorgepflicht dar. Essentiell ist schlussendlich aber, dass sowohl die Organisationen wie auch Fachpersonen selbst dafür sorgen, das Risiko einer sekundären Traumatisierung zu reduzieren (z.B. durch Supervision; Meadors, Lamson & Swanson, 2009).



Quellen

Figley, C. R. (1995). Compassion fatigue: Toward a new understanding of the costs of caring. Secondary traumatic stress: Self-care issues for clinicians, researchers, and educators, 2, 3-28.


Gentry, J. E. & Baranowsky, A. B. (2015). The impact of workplace conditions on the development of secondary traumatic stress disorder among trauma therapists. Psychological Trauma: Theory, Research, Practice, and Policy, 7(2), 109-116.


Meadors, P., Lamson, A., & Swanson, M. (2009). Secondary traumatic stress and oncology social work: Protecting compassion from fatigue and compromising the worker's worldview. Journal of Psychosocial Oncology, 27(4), 419-435.


Van Dernoot Lipsky, L., & Burk, C. (2009). Trauma stewardship: An everyday guide to caring for self while caring for others. Berrett-Koehler Publishers.


Yassen, A. E., & Lockhart, K. L. (2010). Secondary traumatic stress: A proposed framework. Journal of Human Behavior in the Social Environment, 20(3), 288-299.


Quelle Bild: https://pixabay.com/de/illustrations/psychische-gesundheit-psychologie-7529899/

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