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Ungeeignete Denkmuster und spezifische Symptome der komplexen PTBS

Diese aktuelle Studie von Greenblatt-Kimron et al. (2022) identifiziert frühe maladaptive Schemata (ungeeignete Denkmuster), welche im Zusammenhang mit spezifischen Symptomgruppen der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung stehen. Die Resultate tragen zu einer Verbesserung der Therapie bei.


Traumatische Erlebnisse wie z. B. körperlicher, sexueller oder emotionaler Missbrauch, insbesondere in der Kindheit, stehen im Zusammenhang mit der Entstehung von frühen maladaptiven Schemata (Young et al., 2003) und der Entwicklung einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (komplexe PTBS; Karatzias et al., 2017; Vasilopoulou et al., 2020).


Die ICD-11 hat neu die komplexe PTBS als Diagnose aufgenommen. Die komplexe PTBS unterscheidet sich von der klassischen PTBS betreffend ihre Auslöser sowie Hauptsymptome (Abbildung 1).

Abbildung 1.


Was sind frühe maladaptive Schemata?

Schemata (Denkmuster) helfen Menschen ihr Denken zu organisieren, indem sie Erfahrungen einordnen und bewerten (Schmidt & Hitchon, 1999). Diese Denkmuster entstehen in der Kindheit und sind normalerweise hilfreich, indem sie die Informationsverarbeitung unterstützen (Young et al., 2003). Bleiben emotionale Kernbedürfnisse in der Kindheit unbefriedigt, z. B. durch ein schädliches Umfeld in Form von Vernachlässigung oder Missbrauch, können sich maladaptive - unangepasste, ungeeignete - Schemata entwickeln (Young, 1990). Maladaptive Schemata werden definiert als allgegenwärtige Denkmuster, welche sich aus Erinnerungen, Emotionen, Denkweisen und Körperempfindungen sowohl in Bezug auf die eigene Person als auch auf die Beziehungen zu anderen, die in der Regel in der Kindheit oder Jugend entstanden sind, sich im Lebensverlauf weiter ausbilden und in hohem Ausmass dysfunktional (hinderlich, unzweckmässig) sind (Young et al., 2003, S. 7). Während solche Denkmuster dem Kind beim Verstehen und Umgang mit seinem schädlichen Umfeld behilflich sind, erweisen sich diese Muster bei Erwachsenen oftmals als hinderlich und verursachen starken Stress, wenn sie durch ähnliche Situationen wie in der Kindheit ausgelöst werden (Young, 1990; Young et al., 2003). Ein Überblick zu den frühen maladaptiven Schemata bietet Abbildung 2.


Zusammenhang früher maladaptiver Schemata und der Posttraumatischen Belastungsstörung

Die Schematherapie beschreibt frühe maladaptive Schemata als Kern und Hauptansatzpunkt zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen (Young et al., 2003). Young und weitere (Young & Brown, 1994; Young et al., 2003) entwickelten eine Theorie sowie einen dazugehörigen Fragebogen, wonach spezifische frühe traumatische Erfahrungen zur Entwicklung spezifischer maladaptiver Schemata führen. Daraus legen sie nahe, dass z. B. sexueller und körperlicher Missbrauch während der Kindheit zu Denkmuster des Misstrauens, Isolation, Verlassenheit oder Unzulänglichkeit führen oder elterliche fürsorgerische Vernachlässigung zu Denkmuster des Verlustes und Wertlosigkeit führen. Ausserdem fand man heraus, dass frühe maladaptive Schemata vermehrt bei Personen mit PTBS auftauchen (z. B. Ahmadian et al., 2015).


Die Autorenschaft untersuchte in einer Auswahl von Erwachsenen der Allgemeinbevölkerung die Zusammenhänge zwischen frühen maladaptiven Schemata sowie der klassischen und komplexen PTBS. Die Studie bezieht sich auf die ICD-11 Definitionen einer klassischen sowie komplexen PTBS.


Ergebnisse

  1. Personen mit komplexer PTBS zeigten deutlich ausgeprägtere frühe maladaptive Schemata als Personen ohne Diagnose oder einer klassischen PTBS.

  2. Personen mit klassischer PTBS hingen deutlich mit dem Denkmuster des Misstrauens/Missbrauchs zusammen, während Störungen der Selbstorganisation (charakteristische bei der komplexen PTBS) im Zusammenhang mit den Denkmustern der Verlassenheit/Instabilität, sozialer Isolation/Entfremdung, Unterordnung und emotionaler Gehemmtheit standen.

  3. Keine der maladaptiven Schemata konnten Symptome der klassischen PTBS vorhersagen. Die spezifischen Denkmuster der emotionalen Entbehrung, Verlassenheit/Instabilität, sozialer Isolation/Entfremdung, Unzulänglichkeit/Scham, Verstrickung/unentwickeltes Selbst, Unterordnung, emotionaler Gehemmtheit sowie unzureichende Selbstkontrolle/Selbstdisziplin sagten jedoch deutlich Störungen der Selbstorganisation im Rahmen einer komplexen PTBS voraus (Abbildung 2).

Abbildung 2.


Zudem erstaunt nicht, dass je mehr traumatische Ereignisse eine Person erlebt hat, desto öfter zeigte sich eine komplexe PTBS.


Aus diesen Ergebnissen schlussfolgert die Autorenschaft, dass frühe maladaptive Schemata für die Störungen in der Selbstorganisation von Personen mit komplexer PTBS von grösserer Bedeutung sind als für Personen mit klassischer PTBS. Bisher standen frühe maladaptive Schemata vor allem mit der klassischen PTBS im Zusammenhang (z. B. Karatzias et al., 2016). Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass frühe maladaptive Schemata eigentlich mit der komplexen PTBS zusammenhängen. Die Ergebnisse verweisen weiter darauf, dass die klassische und komplexe PTBS zwei unterschiedliche Störungen sind.


Nutzen für die Praxis

Die Studie liefert nützliche Informationen, um die Therapie der komplexen PTBS zu verbessern. Dies ist bedeutsam, wenn man bedenkt, dass Behandlungsmethoden, welche routinemässig zur Therapie der klassischen PTBS eingesetzt werden, bei komplexer PTBS weniger wirksam sein können (Karatzias et al., 2019).


Unterschiedliche frühe maladaptive Schemata weisen bedeutsame Zusammenhänge zu Störungen der Selbstorganisation der komplexen PTSB auf, was den Einsatz von Schematherapie (Young et al., 2003) zur Behandlung der komplexen PTSB, insbesondere bezogen auf die Störungen der Selbstorganisarion und damit verbundenen maladaptiven Schemata befürwortet (Abbilung 3).

Abbildung 3.


Die Autorenschaft verweist auf Grenzen der Aussagekräftigkeit der Studie, da es sich u. a. um eine einmalige Untersuchung handelt und Denkmuster sich über die Zeit verändern können. Ausserdem sollte die Untersuchung auch mit Personen durchgeführt werden, welche bereits eine diagnostizierte klassische oder komplexe PTBS aufweisen.


Greenblatt-Kimron et al
. (2022) Early maladaptive schemas and ICD-11 CPTSD symptoms_Treatm
Download (2022) EARLY MALADAPTIVE SCHEMAS AND ICD-11 CPTSD SYMPTOMS_TREATM • 292KB

Ahmadian, A., Mirzaee, J., Omidbeygi, M., Holsboer-Trachsler, E., & Brand, S. (2015). Differences in maladaptive schemas between patients suffering from chronic and acute posttraumatic stress disorder and healthy controls. Neuropsychiatric Disease and Treatment, 11, 1677–1684. https://doi.org/10.2147/NDT.S85959


Karatzias, T., Jowett, S., Begley, A., & Deas, S. (2016). Early maladaptive schemas in adult survivors of interpersonal trauma: Foundations for a cognitive theory of psychopathology. European Journal of Psychotraumatology, 7(1), 30713. https://doi.org/10.3402/ejpt.v7.30713


Karatzias, T., Murphy, P., Cloitre, M., Bisson, J., Shevlin, M., Hyland, P., Maercker, A., Ben-Ezra, M., Coventry, P., Mason-Roberts, S., Bradley, A., & Hutton, P. (2019). Psychological interventions for ICD-11 complex PTSD symptoms: systematic review and meta-analysis. Psychological Medicine, 49(11), 1761–1775. https://doi.org/10.1017/S0033291719000436


Karatzias, T., Shevlin, M., Fyvie, C., Hyland, P., Efthymiadou, E., Wilson, D., Robertse, N., Bissonf, J., Brewin, C. R., & Cloitre, M. (2017). Evidence of distinct profiles of posttraumatic stress disorder (PTSD) and complex posttraumatic stress disorder (CPTSD) based on the new ICD-11 trauma questionnaire (ICD-TQ). Journal of Affective Disorders, 207, 181–187.

https://doi.org/10.1016/j.jad.2016.09.032


Karatzias, T., Murphy, P., Cloitre, M., Bisson, J., Shevlin, M., Hyland, P., Maercker, A., Ben-Ezra, M., Coventry, P., Mason-Roberts, S., Bradley, A., & Hutton, P. (2019). Psychological interventions for ICD-11 complex PTSD symptoms: systematic review and meta-analysis. Psychological Medicine, 49(11), 1761–1775. https://doi.org/10.1017/S0033291719000436


Schmidt, T. L., & Hitchon, J. C. (1999). When advertising and public relations converge: An application of schema theory to the persuasive impact of alignment ads. Journalism and Mass Communication Quarterly, 76, 433–455. https://doi.org/10.1177/2F107769909907600303


Vasilopoulou, E., Karatzias, T., Hyland, P., Wallace, H., & Guzman, A. (2020). The mediating role of early maladaptive schemas in the relationship between childhood traumatic events and complex posttraumatic stress disorder symptoms in older adults (> 64 years). Journal of Loss and Trauma, 25, 141–158. https://doi.org/10.1080/15325024.2019.1661598


Young, J. E. (1990). Cognitive therapy for personality disorders: A schema focused approach. Professional Resource Exchange, Inc.


Young, J. E., & Brown, G. (1994). Young schema questionnaire. In J. E. Young (Ed.), Cognitive therapy for personality disorders: A schema-focused approach (pp. 63–76). Professional Resource Press.


Young, J. E., Klosko, J. S., & Weishar, M. E. (2003). Schema therapy: A practitioner's guide. Guilford Press.







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